Warum konventionelle Kleidung
nicht mehr tragbar ist
Der Absatz der biologischen Lebensmittel am Gesamtmarkt steigt kontinuierlich an. Die Bio-Branche ist eine der wenigen Branchen, die gut durch die Wirtschaftskrise gekommen ist. Und der Absatz steigt immer weiter1. Neben den vermehrt auftretenden Biosupermärkten, die nur Bio-Produkte anbieten, steigen auch immer mehr Discounter in den Markt ein. Mittlerweile ist es, dank neuartigen Designs und neuer Konzepte, nicht mehr altbacken, auf Bio zu setzen, sondern jugendlich. Biosupermärkte sind modern und offen für jeden.
Aber woher kommt überhaupt der steigende Absatz?
Es gibt mehr Menschen, die sich über Inhaltstoffe in ihrem Essen Gedanken machen. Weil es immer mehr schockierende Enthüllungen gibt über Panschereien bei nicht biologischen Lebensmitteln: Gammelfleisch, Pestizide, Wachsschale. Die Verbraucher werden immer wieder verunsichert. Bio scheint dabei eine gute Alternative zu sein. Kein Gammelfleisch, keine Pestizide und keine Wachsschale. Aber das zu einem höheren Preis.
Auch in anderen Branchen, wie zum Beispiel der Kosmetikbranche, gibt es einen „grünen Wandel“. Jede gut positionierte Firma erweitert heutzutage ihr Programm durch eine Öko-Linie. Diese Öko-Linien werden zumeist dazu noch groß beworben. Bio scheint in der Breite der Bevölkerung angekommen zu sein.
So kommt es, dass die Firma RWE in einem ihrer Werbespots einen Riesen, der den Konzern darstellen soll, durch eine grüne Landschaft schickt und ihn Windmühlen und Gezeitenkraftwerke aufstellen lässt. Es entsteht der Eindruck, RWE wäre die Firma, die uns den so lang ersehnten Wechsel im Stromressort bringt. Bei diesen Bildern denkt man nicht an Steinkohle und rauchende Schornsteine. Aber RWE hatte zu diesem Zeitpunkt grade mal 3 % erneuerbare Energien(Bundesdurchschnitt:19%), aber 78% fossile Energieträger in ihrem Strommix. Alles andere als umweltfreundlich2.
Aber daran sieht man, wie wichtig das grüne Image geworden ist.
Ein Viertel aller Pestizide für den Baumwollanbau
Eine Branche hat allerdings bisher sehr wenig mit dem „grünen“ Markt zu tun gehabt:
die Bekleidungsbranche. Weltweit werden jährlich um die 24.000.000 Tonnen Baumwolle hergestellt. China ist der größte Produzent. Auf Platz zwei liegt Indien und an dritter Stelle die USA. 3
2008 wurde von diesen 24.000.000 Tonnen 99% konventionell angebaut3.1. Die asiatischen und osteuropäischen Bauern nutzen Pestizide und synthetische Dünger und wissen nicht um die Gefahren, die von diesen ausgehen. Ein Viertel der weltweit produzierten Pestizide ist 2008 auf den Baumwollfeldern eingesetzt worden. 20000 Bauern sind an den Folgen des direkten Kontakts mit den Spritzmitteln und den damit verbundenen langfristigen Folgen gestorben4. Nur wenige westliche Unternehmen haben den Bauern erklärt, wie sie „richtig“ mit den Methoden des konventionellen Anbaus umgehen sollten, damit sie keinen Schaden nehmen. Dabei geben die Bauern einen Großteil ihres Einkommens für die teuren, hochmodernen Spritzmittel aus. Wenn man Baumwolle konventionell anbaut, werden die Felder durch die Spritzmittel und Monotonie ausgezehrt und spätestens nach 7 Jahren sind die Felder soweit zerstört5, dass es mehrere Jahre braucht, bis wieder etwas auf den Feldern wachsen kann. Aber anstatt nachhaltige Informationen und Hilfen zu geben, gibt es eher größeren Druck aus dem Westen, die Baumwolle günstiger zu produzieren. Wenn der Bauer sich aber weigert, gibt es ein ganz probates Druckmittel: die Nichtabnahme der Baumwolle. So ist der Bauer gewissermaßen gezwungen die Baumwolle doch günstiger zu verkaufen. Er hat in diesem Fall keine andere Wahl.
Chemikalien als Farbe
Im nächsten Schritt der Textilherstellung geht es um das Weiterverarbeiten der Stoffe, das Veredeln. Jeden Schritt, in dem die Garne aus der Baumwolle verarbeitet werden, nennt man veredeln. Der erste Schritt des Veredelns ist die Färbung. Dies geschieht bei konventionellen Textilien durch ein Chemikalienbad6. Dabei kann es passieren, dass diese Substanzen auch nach der Verarbeitung nicht wirklich vom Kleidungsstück aufgenommen werden. Das Schild „Kann Abrieb an Möbeln hinterlassen“ sollte schon stutzig machen. Denn das heißt ja nichts anderes, als dass die Farbe anscheinend nicht wirklich im Stoff ist. Wenn man den Stoff also nun auf der Haut trüge, würde er sich ja auch auf der Haut „abreiben“. So wären die Chemikalien auf der Haut. Nichts lassen wir so oft, so nah an unsere Haut wie unsere Kleidung.
Bei der Färbung mit den konventionellen Chemikalien fallen große Mengen an giftigen Flüssigkeiten an7. In Europa gibt es Gesetze zum Gebrauch und zur Entsorgung. Auch gibt es das Know-how, um die Chemikalien unschädlich zu machen. In manch asiatischem Entwicklungsland gibt es dafür keine Gesetze und die Betreiber wissen auch gar nicht welche katastrophalen Folgen es haben kann, wenn man die giftigen Flüssigkeiten in einen nahe gelegenen See oder Fluss pumpt und es der Natur überlässt, damit fertig zu werden. Auch hier gibt es keine genügende Aufklärungsarbeit der konventionellen europäischen Konzerne.
Nähen für einen Hungerlohn
Der nächste Schritt ist das Nähen. Um die Produktionskosten möglichst gering zu halten, werden die Kleidungsstücke oft in Bangladesh, China oder Indien genäht8. Denn in diesen Ländern sind die Lohnkosten niedriger. Teilweise sind die großen Arbeitshäuser in der Nähe der Slums. Dort werden auch Näher angeworben. Diese Näher werden mit Entlassung bedroht, wenn sie keine unbezahlten Überstunden machen oder nicht rechtzeitig fertig werden9. Die Arbeitszeit beträgt in der Regel 10 Stunden täglich, es gibt 1 freien Tag pro Woche. Die Bezahlung ist vom Mindestlohn des jeweiligen Landes abhängig. Sie liegt selten darüber10.
In diesem Sommer gab es in Bangladesh teilweise gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den Arbeitern, die sich ausgenutzt fühlten, und den Betrieben bzw. der Polizei11. Letztendlich wird nun der Mindestlohn von 17$ auf 35 $ pro Monat12 erhöht. Allerdings braucht man, um die eigene Existenz in Bangladesh zu sichern, 100$ 13.
In den Betrieben herrschen raue Bedingungen. Auch von Schlägen und Belästigungen wird häufig berichtet14. Dort ist es auch verboten, eine Gewerkschaft zu gründen15. Geschieht dies dennoch, wird der Arbeiter entlassen. Das Problem der Näher und Näherinnen ist, dass sie ohne einen Job, auch wenn er noch so schlecht bezahlt wird, noch weniger hätten. Eine ausweglose Situation.
Der Preis eines Kleidungsstückes setzt sich wie folgt zusammen: 6% des Preises für ein Kleidungsstück werden für den Stoff ausgegeben, 1% wird demnach für die Löhne der Arbeiter ausgegeben, 25% für die Werbung16 und der Rest teilt sich auf Gewinn, Steuern und Mieten für die Filialen sowie die Löhne der Verkäufer.
Der Vertrieb
Im Verkauf werden die Kosten weiterhin möglichst drastisch gesenkt. Mit der Firma KIK gibt es sogar Rechtsstreitigkeiten, ob eine Aushilfskraft zu viel Arbeit verrichten musste. Diese hat Recht bekommen, dass sie als normale Aushilfskraft nicht für die Filialleitung zuständig ist, und Gehaltsnachzahlungen erhalten17. Die Verkäufer in Deutschland müssen sich auch durchkämpfen. Vor allem bei Billig-Mode-Anbietern wie KIK ist die Bezahlung sehr schlecht. Trotzdem kann man sagen, dass es den deutschen Verkäufern grundsätzlich im internationalen Vergleich gut geht. Sie müssen keine Not leiden. Das ist in unserem Land im Grundgesetz geregelt18. Sie können sich juristisch gegen unmenschliches Verhalten, überhöhte Arbeitszeiten und andere Schikanen wehren. Und wenn es überhaupt nicht geht, können sie auch kündigen und mit sozialen Hilfeleistungen des Staates rechnen. Wahrscheinlich DER entscheidende Vorteil gegenüber den Arbeitern, die ohne die Arbeit gar nichts hätten.
Trotzdem sind sie bei einem Konzern angestellt, der sich zwar selbst verpflichtet hat, bestimmte Sozialstandards in den Produktionsstätten einzuhalten, aber H&M gibt zum Beispiel zu, dass sie „große Probleme haben, die Sozialstandards“19 in den externen Herstellerbetrieben durchzusetzen.
Keine Sozialstandards
Interessant ist dabei, dass die europäischen Unternehmen einen enormen Druck auf die Firmen, die zum Beispiel in Asien sind, ausüben können, wenn es um Qualität und Leistungsoptimierung geht. Wenn es aber um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Gehälter geht, sagen sie, sie seien machtlos.
Ganz schrecklich finde ich dabei, dass die Unternehmer die Not der Menschen in den Produktionsländern ausnutzen, um günstiger zu produzieren.
Um herauszufinden, welche Bedingungen herrschen, gibt es Organisationen, die sich aufmachen und herausfinden, wo was wie für wen produziert wird. Dritten, wie der Kampagne für saubere Kleidung(CCC), ist es möglich herauszufinden welche Bedingungen herrschen20. Wir als Konsumenten haben gar nicht die Chance uns vor Ort über die tatsächlichen Bedingungen zu informieren.
Nike fing an, die produzierenden Firmen zu veröffentlichen, als der Vorwurf aufkam, die Sportartikelfirma ließe von Kindern produzieren. Durch die Veröffentlichung war zumindest Kinderarbeit in den Betrieben weitestgehend auszuschließen. In Usbekistan werden allerdings im Sommer, zur Zeit der Baumwollernte, die Schulen geschlossen, damit die Kinder mit auf den Feldern arbeiten können21.
Aber auch bei den teuren Kleidungsstücken von Nike, Adidas und Co. lassen sich Indonesien und andere Billiglohnländer als Produktionsländer finden21.1.
Wie kann man nun aber vermeiden, dass Bauern an den Pestiziden sterben und Menschen zu unmenschlichen Bedingungen für unsere Kleidung schuften?
Biologisch erzeugte und sozialverträglich hergestellte
Mode ist die Antwort
Pestizide sind verboten, Wasser wird gespart und Löhne gerecht bezahlt
Im biologischen Anbau sind Pestizide verboten22. Das bedeutet, die Baumwolle, die von biologisch bewirtschafteten Feldern kommt, ist keinen gefährlichen Chemikalien ausgesetzt worden. So kommen auch keine Bauern mit den giftigen Stoffen in Berührung. Es gibt viele Kontrolleure, die von den europäischen Biomode-Herstellern in das Erzeugungsland geschickt werden, damit zum einen die Qualität gesichert bleibt und zum anderen immer wieder neue Bauern zum Bio-Anbau gebracht werden.
Aber der Bio-Anbau bei Baumwolle hat nicht nur den Vorteil, dass Baumwolle nicht gespritzt wird, sondern auch, dass den Bauern viel Fachwissen vermittelt wird. Zum Beispiel werden normale Baumwollfelder geflutet, um die extrem durstige Pflanze zu bewässern. Beim Bio-Anbau wird das Prinzip des „Tröpfchen-Gießens“ angewendet23. Dabei wird den Pflanzen ständig suggeriert, sie bekämen nur vereinzelt Tropfen ab, und sie werden so sparsamer. Außerdem werden die Pflanzen direkt gegossen. So geht weniger im Boden verloren. Es ist eine Möglichkeit, dem enormen Wasserverbrauch der Baumwollpflanze entgegenzuwirken. Ein Vorteil, der in Ländern wie Indien eine große Bedeutung hat.
So wird die Pflanze menschen- und umweltfreundlicher aufgezogen.
Auch kann man so den Unterhalt der Bauern langfristig sichern, denn für die Bio-Baumwolle bekommen die Bauern bessere Bezahlung und können langfristig wirtschaften. Für die Übergangszeit gibt es auch Konzepte: Den Bauern wird die Baumwolle in der Übergangsphase zu einem höheren Preis abgenommen. So können die durch die Umstellung bedingten Ausfälle ausgeglichen werden24. Die europäischen Firmen verarbeiten die Baumwolle in normalen oder in besonders gekennzeichneten Artikeln. Zumindest machen das Firmen, die sich nachhaltig um die zukünftige Bio-Baumwoll-Ernte Gedanken machen.
Farben auf pflanzlicher Basis
Im nächsten Arbeitsschritt gilt es nun die Färbung zu revolutionieren, um eine umweltfreundlichere Herstellung garantieren zu können. Dabei gibt es Firmen, die entweder das Färbemittel so oft wie möglich verwenden und am Ende mit biologischen Lösungsstoffen die Färbeflüssigkeit wieder zu „Wasser“ machen. Das lassen sie allerdings noch weiter verarbeiten und erst wenn es völlig gereinigt ist, landet es, wenn überhaupt, wieder im Grundwasser25.
In Deutschland werden sogar wieder Verfahren entwickelt, die mit pflanzlichen Farbstoffen Kleidung langfristig und vielfältig färben sollen26. Dabei ist man auf einem guten Weg. Mehrere Produkte der Firma „Hess Natur“ sind schon jetzt mit solchen Naturfarben gefärbt.
Faire Bedingungen bei 87 Cent mehr pro Hose
Nach der Färbung geht es weiter mit der Verarbeitung beziehungsweise dem Nähen. Die NäherInnen sollen dabei ethisch korrekt behandelt werden. Das heißt, es muss ein gerechter Lohn bezahlt werden, der die Existenz wirklich sichert. Wie schon im Beispiel von Bangladesh genannt, muss dann ein Lohn von 100 $ bezahlt werden. Der Mindestlohn müsste also verdreifacht werden. Momentan kommt ungefähr 1 % des Preises durch die Lohnkosten zustande kommen. Eine Steigerung um 300% beim Lohn würde eine 3 %ige Steigerung beim Preis ausmachen. Das hieße für eine Jeans für 29€, dass sie nun 87 Cent mehr, also 29, 87€ kosten würde. Ein verschwindend geringer Preisanstieg. Gerechte Bezahlung wird momentan allerdings als Besonderheit angenommen, müsste aber Standard sein.
Also zum einen sollte den NäherInnen ein existenzsichernder Lohn für die Arbeit gezahlt werden. Zum Anderen sollte das Unternehmen die Möglichkeiten der medizinischen Versorgung verbessern. Denn wenn das Unternehmen die Arbeiter aus den Slums der Stadt „rekrutiert“, weiß auch die Firma um die schlechten medizinischen Möglichkeiten der Menschen. Diese Umstände zu verändern hieße Verantwortung für die Arbeiter zu übernehmen. Auch sollten Höchst-Arbeitszeiten eingehalten werden. Es muss geregelt werden, wie viele Überstunden gemacht werden dürfen. Ein Siegel, das heute schon versichert, dass Produkte zu fairen Konditionen hergestellt wurden, ist das „Fair-trade“-Siegel27.
Umweltschutz oder Aufbauhilfe
Nun kann man sich noch fragen, ob es sinnvoll ist, die Baumwolle aus Indien über 1000km nach China zu bringen, um sie dort färben zu lassen, dann nach Bangladesh zu transportieren, nach der Verarbeitung nach Europa bringen zu lassen, um schließlich die fertigen Artikel zu verkaufen. Denn diese enormen Wege belasten das Klima28. Also ist die Frage, ob „wir“ den Menschen in den Entwicklungsländern, in denen jetzt produziert wird, durch die Stärkung der Wirtschaft, so sehr in ihrer Entwicklung helfen, dass es sich lohnt die Umwelt derart zu belasten.
Ist die Ware in Deutschland angekommen, gibt es neben angemessener Bezahlung bei manchen Betrieben, zum Beispiel bei Timberland, die Möglichkeit 40 Stunden im Jahr für soziale Arbeiten zu nutzen. Diese Zeit wird auch bezahlt29.
Recycling für den Polyesterbedarf
Ein anderer Weg neben biologischer Baumwolle sind Recycling-Produkte. Manche Firmen sind dazu übergegangen, PET – Flaschen anzukaufen und zu verarbeiten. Aus den Flaschen kann Polyester hergestellt und in der Kleidung verarbeitet werden. Die Firma Timberland kauft befahrene Formel 1-Reifen, die zu schwarzen, festen und lang haltenden Sohlen verarbeitet werden. So kann man auch den
enormen Bedarf an Kunststoffen in der Kleidung decken30.
Das Fazit
Insgesamt ist bei Kleidung zu beachten, dass es am verträglichsten für Umwelt und Mensch ist, wenn man möglichst wenig Kleidung verbraucht. Somit sind schnell wechselnde Moden ein „Denkfehler“ unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. Denn die Reduzierung des CO 2-Ausstoßes und der Belastung ist für Mensch und Umwelt am einfachsten zu erreichen, wenn man weniger produzieren muss. Darum sind ausgefallene Farben, die vielleicht nächstes Jahr schon wieder „out“ sind, schlechter als „Dauerbrenner“ wie Schwarz oder Weiß.
Eine für mich sehr überraschende Statistik war: Ein durchschnittliches T-Shirt ist auf 35 Waschvorgänge31 ausgelegt. Dann soll es ausgewaschen und aufgebraucht sein. Eine Verschwendung, wie ich finde, denn ein T-Shirt sollte wohl mindestens zwei oder drei Jahre bei wöchentlicher Waschung überstehen.
Wenn man also anstatt auf einjährige Mode, auf ein schlichtes schwarzes Shirt von einer fair und biologisch wirtschaftenden Firma zurückgreift und dafür das Dreifache bezahlt, kann es sich trotzdem lohnen, denn das Bio-Shirt hält dann (bei normalem Gebrauch) auch dreimal so lange.
Verantwortung wahrnehmen
Die Probleme, die es bei der Herstellung unserer Textilien gibt, sind vielen Menschen bekannt. Bei Befragungen in meinem Freundeskreis fiel auf, dass die meisten von den Hungerlöhnen, für die H&M, KIK, C&A mitverantwortlich sind, wussten. Allerdings kaufen viele von ihnen trotzdem bei den genannten Firmen. Dazu muss auch ich gestehen, dass ich selber von den Bedingungen wusste und trotzdem bei H&M eingekauft habe - aber nur so lange, wie ich dieses Wissen nur mitbekommen habe, mich aber nicht damit auseinandergesetzt habe. Dieses Phänomen kann man auch bei den Nachrichten beobachten. Was bedeutet es heute noch für uns, wenn darüber berichtet wird, dass 50 Menschen gestorben sind? 50 Menschen…das ist zehnmal meine engste Familie. Aber man bricht nicht in Tränen aus, man trauert nicht um diese Menschen, sondern man steht nach der Tagesschau auf und nimmt sich leckere Schokolade, die aus Kakaobohnen gemacht wurde, die von verschleppten Kindern an der Elfenbeinküste gepflückt worden sind32. Obwohl man darum weiß.
Informationen allein scheinen einen nur „peripher zu tangieren“ – kaum noch zu berühren. Man braucht eine Beziehung zu den Informationen, bevor man einsieht, dass man es so nicht weitermachen kann. Dass man es so nicht dulden kann.
Manche Menschen sind es auch „leid“, sich für solche Themen immer wieder aufzureiben. Sie wollen lieber ihr westliches Leben leben, ohne sich dafür zu verantworten, was sie warum kaufen. Sie wollen sich nicht belasten mit diesen Informationen. Getreu dem Motto: „ Wer weniger weiß, der kann besser schlafen.“
Aber bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema habe ich gemerkt, dass das kurzsichtig ist. Dass solch ein Verhalten nicht dem des so hoch gelobten, aufgeklärten und gerechten Europäers entspricht.
Der ideale Europäer ist sich der Macht, die er ausüben kann, bewusst und nutzt sie. Er informiert sich. Er fragt nach. Er bewertet und entscheidet. Er überlegt, was er mit seinem Kauf bewirkt. Denn wenn er ein T-Shirt aus Baumwolle kauft, die mit Pestiziden hochgezogen, mit Chemikalien gefärbt wurde und das von unterernährten NäherInnen hergestellt wurde, um es dann 18 000 km nach Europa zu transportieren, unterstützt er die Firma in ihrem Verhalten. Er duldet das Sterben der Bauern, er duldet die vergifteten Seen und er duldet 6 Arbeitstage in der Woche, 10 Stunden und unendliche Überstunden Schichten und Löhne für 1 $ am Tag.
Aber dieser Macht muss sich nun der Durchschnittseuropäer bewusst werden. Normalerweise denkt er eher „ alleine kann ich sowieso nichts bewirken. Ob ich das jetzt kaufe oder nicht, ist letztendlich auch egal.“ Aber das ist zu kurz gedacht. Natürlich entscheidet nicht „ein“ Käufer über Gewinn oder Verlust des Unternehmens, aber die Menge.
Würde jeder denken: „ wenn Alle so handelten wie ich, dann würden die Unternehmen auch umdenken“ würde sich der Markt sehr schnell ändern.
Auf der anderen Seite stehen die Unternehmen, die behaupten, dass es den Käufern egal sei, zu welchen Bedingungen die Sachen hergestellt wurden.
Schließlich gibt es Unternehmen, die behaupten, sie könnten bestehen, weil die Menschen bereit sind mehr zu bezahlen, eben weil sie sich darüber Gedanken machten, wie ihre Kleidung hergestellt wird. Jedes Unternehmen spricht für seine Klientel.
Und beide haben wirtschaftlichen Erfolg.
Aber warum machen wir uns so wenige Gedanken, so wenige Sorgen um die Herstellung?
Ich denke, weil wir uns in unserer Welt gar keine Vorstellung davon machen können, wie es den Menschen in den Produktionsländern geht. Wir bräuchten Bezüge. Da wir es nicht hautnah fühlen können, nicht dorthin reisen können, brauchen wir Menschen, die uns berichten, wie es den Menschen dort geht. Wir brauchen Erfahrungsberichte anderer, um uns unser Urteil bilden zu können. Allerdings sind Filme über Arbeitsbedingungen in „Dritte-Welt-Ländern“ Randerscheinungen im deutschen Fernsehen. Mal berichtet Phönix über die Kinderarbeit auf den Kakaoplantagen um 23:45 Uhr. Mal berichten Sendungen ab 22 Uhr über die Unterdrückung der Arbeiter. Der erste größere Erfolg dieser Filme war der Film „KIK-Story“, der um 21:45 Uhr in der ARD gezeigt wurde. Aber viele Sender wollen gar nicht über solche Themen berichten. Sie sehen ihre Aufgabe darin zu unterhalten.
Also muss der Kunde sich meist selbst informieren.
Ein unbeschwerter Stadtbummel mit „mal hier gucken, mal da“ ist somit möglich, wenn man sich keine Gedanken macht. Wenn man jedoch selber recherchiert, kann man beim Einkaufen auch schlechte Laune bekommen.
Grundsätzlich könnte man sagen: Es gibt ein Problem und es gibt eine Lösung.
Das Problem sind die Schadstoffbelastung bei der Produktion und die unmenschlichen Bedingungen für die beteiligten Arbeiter!
Die Lösung ist biologisch und fair produzierte Kleidung.
Nun gilt es aber, den Verbraucher zu sensibilisieren. Es muss Transparenz geschaffen werden, die dem Kunden klar zeigt, welche Mode wie produziert wird. Ein Siegel, wie es die GEPA für fairness vergibt, sollte es einheitlich auch für Kleidung geben. Nur so kann man von einer gewissen Transparenz sprechen, die den Kunden informiert und nicht erwartet, dass der Kunde recherchiert.
Ein solches Siegel könnte das Bewusstsein der Kunden für die Dringlichkeit von sozialverträglicher und biologischer Mode erweitern, weil es die Information erleichtert. Als Folge würden auch Billigmode-Anbieter merken, welchen Markt es zu erobern gilt und den guten Beispielen folgen. Das heißt allerdings nicht, einen Verhaltenskodex aufzuerlegen und dann die Subunternehmer trotzdem zu zwingen billig zu produzieren, sondern das hieße, Verantwortung zu übernehmen, auch den Preis zu erhöhen. Diese Verantwortung beginnt bei einem guten und ambitionierten Verhaltenskodex, führt dann zu einer nachhaltigen Firmenphilosophie und zeigt seine Früchte, wenn die Bauern sinnvoll und nachhaltig wirtschaften können, die Produktion umweltfreundlich vonstatten geht, Arbeitsbedingungen nach internationalem Menschenrecht gelten und ALLE Mitglieder der Produktionskette einen Lohn erhalten, der ihnen ein angemessenes Leben ermöglicht.
Denn die Firmen übernehmen Verantwortung. In dem Moment, wenn sie Menschen einstellen und für sich arbeiten lassen, müssen sie auch für die Menschen sorgen. Dessen muss sich jede Firma, meiner Meinung nach, bewusst werden.
Dazu hat jeder Konsument auch noch eine individuelle Verantwortung.
Dieser muss man sich in dem Moment bewusst sein, wenn man mit seinem Kauf eine Firma in ihrem Handeln unterstützt. Mit einem Kauf billigt man sozusagen, was die Firma unternimmt. Ja, man unterstützt es sogar.
Deshalb ist es so wichtig, zum kritischen Konsumenten zu werden. Nicht alles, was die Werbung sagt, annehmen, sondern nachfragen.
Nachfragen zeigt das Bewusstsein, und wenn das Bewusstsein stark genug ist, sind die Firmen „gezwungen“ sich dem Wandel zu ergeben, um weiterhin gewinnbringend zu wirtschaften. Denn niemand kann erwarten, dass eine Firma auf soziale Standards umstellt, wenn sie dafür rote Zahlen schreibt. Der Wandel des Denkens in der Gesellschaft ist also zwingend notwendig für den firmenpolitischen Wandel in der Wirtschaft.
Nur so können die Verantwortung der Firmen und die Verantwortung der Käufer im Zusammenspiel den Wechsel in Schwung bringen, der dringend nötig ist.
Quellenverzeichnis
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4.Kirsten Brodde – Saubere Sachen, S. 161
5. ebd., S. 170
6. ebd., S. 70
7. ebd., S. 88
8. ebd., S. 99
9. ebd., S.99 und 159
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16. Kirsten Brodde – Saubere Sachen, S. 99
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24. ebd., S. 160
25. ebd., S. 88
26. ebd., S. 168
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28. Kirsten Brodde – saubere Sachen, S. 85
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